Oddworld: Stranger's Wrath HD - Test (2024)

Für eine Handvoll Moolah

Oddworld: Stranger's Wrath HD - Test (2)

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Wenn sie gut gemacht sind, sind HD-Remakes etwas Wundervolles. Nicht nur als bauchstreichelnder Tribut an die größten und wichtigsten Spiele, sondern auch als Postkarte aus einer längst vergangenen Zeit. Auch damals verkannte Juwelen, die seinerzeit aus welchem Grund auch immer keine reelle Chance am Markt bekamen, erhalten neuerdings ihre wohlverdiente optische Generalüberholung - und unsere Spiele-Landschaft ist eine schönere dadurch.

Woran es gelegen hat, dass Stranger's Wrath - das bis dato letzte Spiel der liebenswerten Oddworld-Bewohner - trotz Ego-Shooter-DNA und seinerzeit klassenbester Grafik ganz alleine und ohne Happy End in den Sonnenuntergang ritt, ist schwer zu sagen. Oder war es zumindest damals. Der Vorgänger, Munch's Odyssey, wird nicht geholfen haben und auch das Marketing wäre jetzt nichts gewesen, woran ich auch nur noch die schattenhafteste Erinnerung hätte. Dabei ist das Spiel originell bis zum Horizont, hat eines der markantesten Welten- und Figurendesigns und fühlt sich sogar fast sieben Jahre später noch außerordentlich frisch an. Das merkt man schon, bevor man kaum zehn Schritte in dieser SciFi-Hommage an unsern alten Westen zurückgelegt hat.

Nachdem ich mich nun, mit einer Spieler- und mehreren Spiele-Generationen Abstand zur Erstveröffentlichung, noch einmal ausgiebig damit befasst habe, kann ich aber noch einen weiteren möglichen Grund für das Scheitern von Stranger's Wrath anbieten - auch wenn er vielen nicht gefallen mag (er gefällt ja nicht einmal mir selbst): Das opulente Szenario, die herrlich animierte Lebendmunition und die durchaus mit Gestaltungsspielraum angelegten Kopfgeldjagden signalisieren jeder einzelnen Hirnwindung, dass man dieses Spiel liebt - nur wird dabei die leise Ahnung übertüncht, dass man eigentlich gar keinen so großen Spaß hat, wie man ihn eigentlich in diesem sympathischen Paket vermuten würde.

Die Problematik beginnt schon mit dem Pacing der Kampagne. Die komplette erste Hälfte ist eine Serie von für sich stehenden Leveln, die zu finalen Boss-Konfrontationen führen, denen jeglicher Kontext fehlt. Dem Spiel genügt es, euch zu sagen: Ihr braucht 20.000 Moolah für eine OP. Und euch genügt es auch, weil die Welt so schön ist. Aber nur so eben gerade. Mit wenigen Ausnahmen ist ein erledigter Auftrag fast immer eher eine Erleichterung, die nächste abgehakte Checkbox, bis euch das Spiel bedeutet, "ihr seid weit genug in der Kampagne fortgeschritten - jetzt geht die Geschichte erst wirklich los". Und das ist schade, denn es ist ein viel zu langer und im Grunde uninteressanter Zyklus, der das Spiel kaum von der Stelle bewegt.

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Wie ein pflichtbewusster Pendler galoppiert ihr in die hübschen, aber auch etwas leeren Städte-Hubs, nehmt einen leidlich interessanten Auftrag an, bei dem immer nur Namen und Level-Schlauch ausgetauscht werden und fangt oder tötet dann das Ziel. Danach geht das Ganze von vorne los. Dieses Schema zieht Stranger's Wrath satte acht Stunden lang durch und bekommt es dabei hin, dass sich sogar das interessante Feature der taktischen Lebendmunition ein bisschen totläuft. Zudem ist das lebendige Einfangen eines Gegners oft zwar nicht unbedingt schwieriger, aber in jedem Fall langwieriger und von unzähligen Fehlversuchen und Neustarts gesäumt, die auch von gemeinen Spitzen im Schwierigkeitsgrad herrühren. Irgendwann hat man keine Lust mehr darauf, nach der "richtigen" Munitions-Kombination für einen Boss zu forschen und belässt es einfach dabei, den Schurken den ranzigen Pelz endgültig über die Ohren zu ziehen.

Das Spiel will durch die neun unterschiedlichen Munitionstypen - von kugeligen Stinktieren bis hin zu elektrisch geladenen Käfern und einem gefräßigen "Critters"-Verschnitt - taktische Tiefe bieten. Im Geiste trennt der Spieler meist aber nur zwischen tödlichen Geschossen und solchen, die nur betäuben. Ob mein "fesselndes" Spinnentier den Gegner nun für sechs Sekunden flachlegt, ich ihn mit einem Gürtelkäfer für fünf Sekunden von den Beinen hole oder ein kleines Grüppchen mit einem Stunk für den gleichen Zeitraum außer Gefecht setze, macht für mich nur in Ausnahmesitationen einen Unterschied.

Ich bin ja jemand, der gerne Spielsituationen analysiert, sich auf die Lauer legt und Fallen stellt. Wenn ich höre, dass jemand Deus Ex als Super-Soldat 3.000 spielt, rollen sich meine Fußnagel-Augmente bis zum Anschlag auf. In Stranger's Wrath packt mich dieser Ehrgeiz dagegen nicht, weil sich meine taktischen Möglichkeiten häufig darin erschöpfen, zur richtigen Zeit das Spiel zu unterbrechen, um meine doppelläufige Armbrust mit neuen Munitionstypen auszustatten, weil mir mal wieder die Boombats ausgegangen sind. Diese Unterbrechungen tun dem ansonsten so leichtfüßigen und actionreichen Kampf oft gar nicht gut. Natürlich verschafft einem die Pause kurz Luft zum Verschnaufen. Der Rhythmus der Gefechte leidet aber schwer.

"Das Spiel nimmt im letzten Drittel eine beinahe unverhoffte Wende und verfällt in einen Galopp, der einen unvermittelt mitreißt."

Es gibt aber trotzdem immer noch genug zu lieben an Stranger's Wrath und damit ist nicht allein das mutige Design gemeint. Die Art und Weise, wie sich die Handlung entwickelt, wenn man erst einmal hinter das Geheimnis des löwengesichtigen Fremden gekommen ist, ist ganz großes Kino. Etwa in seiner Mitte nimmt das Spiel eine zu dem Zeitpunkt beinahe unverhoffte Wende und verfällt plötzlich in einen Galopp, der einen unvermittelt mitreißt. Ihr bekommt im dritten Akt all das, was ihr euch eigentlich von einem Oddworld-Titel erhofft hättet - Betrug, bittersüße Aufopferung und ein fantastisches Ende, das das Spiel rückwirkend noch einmal aufwertet. Selbst der im sonstigen Spiel gelegentlich etwas mühsame Munitionsbeschaffungs-Kreislauf wird auf einmal weit weniger wichtig, sodass ihr befreiter aufspielen könnt.

Jeder, der sich ohnehin schon zu den Freunden des Oddworld-Universums im Allgemeinen und dieses Spiels im Speziellen zählt, klatscht überdies wegen des tadellosen HD-Transfers in die Hände. Zwar bricht die Bildrate in opulenten Szenarien, etwa, wenn man das erste Mal das Mongo Valley betritt, immer mal wieder etwas schmerzhaft ein, im allgemeinen erfreut man sich aber an einer sehr hohen Bildrate, die bei Third-Person-Hüpfereien genauso wie im Ego-Modus weit öfter an den sagenhaften 60 Bildern pro Sekunde als darunter liegt. Zudem sieht das Spiel nach wie vor ganz hervorragend aus. Die von Just Add Water überarbeiteten Charaktermodelle und Texturen und die weiterhin zum Schmunzeln verleitende Munition verdienen hier besondere Erwähnung. So muss man es machen.

Es mag eine unpopuläre Meinung sein, aber gerade in seiner vorderen Hälfte hat Oddworld: Stranger's Wrath für mich oft weniger mit reinem Spaß als ein bisschen mit Mühsal zu tun. Und auch wenn das Spiel damit im Grunde den Beweis antritt, dass originelle Einfälle und kunstvolle Gestaltung nicht von selbst einen größeren Spielgenuss garantieren, so muss man doch attestieren, dass es diesen hochauflösenden Liebesbrief vollauf verdient hat - und damit auch jeden neuen Freund, den es gewinnt. Es mag kein großer Klassiker fehlerfreier Spielgestaltung sein, ein mutiges Design-Statement - eines, dessen zweite Hälfte zudem lange nachhallt - ist es aber allemal.

Und wenn der Erfolg dieses Remakes dafür sorgen sollte, dass die Oddworld Inhabitants in die Spieleindustrie zurückkehren, dann sind die veranschlagten 12,99 Euro eine Investition, über die man ernsthaft nachdenken sollte.

7 / 10

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Author: Catherine Tremblay

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